Toter Körper Entspannung

Von Jens Geffken - Geschrieben

In der Welt, in der Komfort oft mit Weichheit und Luxus verwechselt wird, liegt eine tiefe, kraftvolle Wahrheit auf dem Boden – buchstäblich. Wer sich darauf einlässt, erfährt nicht nur eine neue Dimension der Entspannung, sondern auch eine bewusste Rückverbindung zum eigenen Körper. Dieser Artikel widmet sich der Praxis des Liegens auf dem Boden, insbesondere in der yogischen Haltung Savasana, auch bekannt als die Totenstellung or Korpsestellung. Wir betrachten die physiologischen, psychischen und funktionalen Auswirkungen dieser Praxis – und stellen sie in Kontrast zur vermeintlich entspannteren, aber tatsächlich oft kontraproduktiven Ruhe im Daunenbett mit Federkernmatratze.


Die Praxis des Liegens, Savasana als Tor zur Entspannung

Savasana (aus dem Sanskrit: śava = Leichnam, āsana = Haltung) ist die klassische Endhaltung vieler Yogapraktiken. Sie ist äußerlich simpel: Man liegt flach auf dem Rücken, Beine leicht gespreizt, Arme locker neben dem Körper, Handflächen nach oben. Die Augen sind geschlossen, der Atem fließt natürlich. Doch diese Einfachheit ist trügerisch – Savasana ist eine präzise, bewusste Haltung des Nicht-Tuns.

Das Besondere, sie wird nicht auf Matratzen, Sofas oder Liegestühlen praktiziert, sondern auf dem Boden – auf einer Yogamatte oder einer dünnen Decke. Kein Einsinken, kein Hochlagern, keine externe Stütze. Der Körper liegt auf einer stabilen, ebenen Fläche. Und genau das macht den Unterschied.


Die Vorteile des Liegens auf dem Boden

  1. Rückmeldung vom Boden – eine Frage der Wahrnehmung
    Der feste Boden bietet eine klare, unverfälschte Rückmeldung. Jede Körperpartie, die ihn berührt, wird unmittelbar gespürt. Das Nervensystem registriert präzise, wo Spannung ist – und kann gezielt loslassen. Diese somatische Rückmeldung ist auf einer weichen Matratze nahezu ausgeschlossen, da der Körper dort zu stark einsinkt und viele Kontaktflächen “verschwimmen”.

  2. Neujustierung der Körperhaltung
    Das Liegen auf dem Boden zwingt den Körper in eine aufrichtige, gerade Linie. Die Wirbelsäule entfaltet sich auf natürliche Weise, der Schultergürtel sinkt ab, die Lendenwirbelsäule wird nicht künstlich überstreckt – sofern die Beinposition stimmt. Durch das regelmäßige Liegen auf dem Boden verbessert sich langfristig die Körperhaltung und das muskuläre Gleichgewicht.

  3. Beruhigung des Nervensystems
    Das parasympathische Nervensystem – zuständig für Ruhe und Regeneration – wird durch das tiefe, ruhige Liegen stimuliert. Die klare, horizontale Ausrichtung auf festem Grund reduziert Reize auf ein Minimum. Savasana wirkt hier wie ein Reset-Knopf für das Nervenkostüm.

  4. Stärkung des Rückens durch bewusste Entlastung
    Der Rücken – oft geplagt durch Fehlhaltungen und Überlastung – profitiert vom ruhigen Kontakt mit dem Boden. Keine Matratze, die ihn „stützt“, sondern der eigene Körper, der lernt, sich selbst zu tragen – auch im Liegen. Das schafft ein neues, funktionales Selbstbewusstsein der Rückenmuskulatur.


Der Boden fordert Ehrlichkeit

Der Boden verzeiht nicht. Er ist nicht nachgiebig, nicht bequem im klassischen Sinn. Die erste Reaktion vieler Menschen auf das Liegen auf hartem Untergrund ist Unruhe, Widerstand, vielleicht sogar leichte Schmerzen. Doch gerade hierin liegt die Chance: Der Körper wird eingeladen, sich neu zu organisieren. Spannung wird nicht kaschiert, sondern spürbar. Nur so kann echte Entspannung entstehen – durch Loslassen, nicht durch Vermeidung.

Das Daunenbettmatratzenbett ist Komfort oder Täuschung? Wer je eine Nacht in einem hochgefederten Daunenbett mit 30 cm Matratzenhöhe verbracht hat, kennt das Gefühl von „Wolke sieben“. Doch dieses Einsinken hat seinen Preis:

  • Die Wirbelsäule verliert ihre natürliche Ausrichtung – sie wird unbewusst gekrümmt oder überstreckt.

  • Die Tiefenmuskulatur wird inaktiv – da das Bett übernimmt, was eigentlich die Muskulatur tun sollte.

  • Der Körper verliert das Gefühl für sich selbst – denn er sinkt ein, statt sich abzugrenzen.

Das Resultat: Die Entspannung ist nicht selbstwirksam, sondern wird „gemacht“. Das Nervensystem bleibt dabei oft in einem latenten Alarmzustand, weil es keine klare Rückmeldung vom Untergrund bekommt. Paradoxerweise kann das zu mehr Unruhe führen, nicht weniger.


Bodenständige Entspannung als Weg zur Selbstwahrnehmung

Wer sich auf die Praxis des Liegens auf dem Boden einlässt – ob in Savasana oder in freier Form – betritt einen Weg der Rückverbindung. Nicht zu einer Idee von Entspannung, sondern zur realen, verkörperten Ruhe. Ohne Hilfsmittel, ohne Technik, ohne Ablenkung.

Es ist ein Weg, der Geduld fordert, aber Tiefe schenkt. Ein Weg, der das Nervensystem beruhigt, den Bewegungsapparat neu organisiert und den Rücken stärkt – durch das, was er braucht: Ehrliche Unterstützung durch die Schwerkraft, nicht durch Polsterung.

Relax like a professional – nicht auf Wolke Sieben, sondern auf festem Grund.